Freitag, 14. November 2014

MILKING THE STARS

Monster Magnet

Ich returniere mit einem kleinen Albumtipp:

Es ist ja so ne Sache mit “älter” werdenden Bands. Viele besinnen sich nach 20 plus X Jahren musikalischen Schaffens wieder “auf ihre Wurzeln” und lassen entweder nochmal ein Album im Stil ihres Debuts vom Stapel oder – mittlerweile häufiger anzutreffen – semmeln eines ihrer Frühwerke nach dem anderen als so genannte “Reissue” unters Volk. Beides muß nicht per se schlecht sein. Klar kommt dabei hin und wieder ein Quintett von Rockopis bei raus, das sich verzweifelt einen abwürgt um wieder wie die coolen, langhaarigen Rebellen zu klingen, die sie in ihren jungen, wilden Tagen waren und die sich eben damit – sagen wir es offen – ein wenig lächerlich machen. Andererseits können dabei auch verdammt gute Scheiben bei raus kommen, wenn die Band nicht nur “back to the Roots” geht, sondern auch das mitnimmt, was sie in den letzten Dekaden so an Entwicklungsschritten vollzogen hat. Im Speziellen traf letzteres 2013 auf die Herren von Monster Magnet zu, die mit “Last Patrol” ein phänomenales Album ablieferten, gefolgt von einer ebenso phänomenalen Tour.

Außerdem – was eigentlich eine Schande ist – existiert so eine Art Bewertungsdiskriminierung was die Originalität von Ideen angeht. Beispiel hier: Ebenfalls Monster Magnet. Stellt euch mal eine Newcomerband vor, die ihr ein Jahr altes Album einfach nochmal komplett neu aufnimmt, abmischt und veröffentlicht. Gut, einige würden da auch “Sell Out!” rufen, ebenso viele würden das aber auch als Geniestreich der künstlerischen Experimentierlust bezeichnen. Als Monster Magnet nun aber "Milking the Stars” ankündigten, war alles, was ich so an Reaktionen fand sehr verhalten. Trotz der Ankündigung, daß es sich explizit nicht um ein solches handle, wurde oft von einem “Remixalbum” gesprochen. Das wiederum legt nun seinerseits erneut das “Sell Out!” nahe; frei nach dem Motto: “Ham se mal wieder ein vernünftiges Album draußen, versuchen sie es gleich zwei mal zu verschachern!”

Nun, ganz so einfach sollte man es sich nicht machen. Heute kam besagtes “Milking the Stars” auf den Markt und auch wenn amazon noch nicht geliefert hat, konnte ich mich dank Auto-Rip (eine der besten Ideen die Amazon je hatte meiner Meinung nach) doch schon den ganzen Tag das gute Stück hinein hören. Oder besser: “mitreißen lassen”. Ich gebe ja zu, daß ich zwar sehr, sehr gespannt war, was bei dem Projekt am Ende heraus kommt, aber eben auch leichte Zweifel hatte. Wie konnte sich so ein Projekt denn bitteschön von einem “Remixalbum” wirklich abgrenzen? Was wollten sie denn aus “Last Patrol” noch an retroorientierter Spacerockigkeit heraus holen? Ich sah da einfach nicht mehr viel Platz nach oben. Bis heute Mittag! Schon die “Last Patrol” wurde ja komplett mit Equipment aus den 60er – 70er Jahren aufgenommen und war am Ende ein Meisterwerk des fuzzigen Spacerock; extrem retro; extrem cool und wirkte gleichzeitig trotzdem irgendwie ihrer Zeit voraus. Sie war damit genau das, was Wyndorf im Vorfeld als Ziel angekündigt hatte. Schwer vorstellbar also, wie man das Album noch toppen konnte, wie man es noch spaciger und sphärischer hin bekommen sollte ohne es dabei komplett zu überladen. Nun, machen wir es kurz: Es ist gelungen!

Die bereits bekannten Songs erscheinen zum Teil in einem derart neuen Kleid, daß es einen aus den Socken haut, wenn man sich mal den 1:1 Vergleich gönnt – da hört man mitunter zwei komplett verschiedene Lieder. Als ein Beispiel unter vielen soll hier mal mein Liebling von der “Last Patrol” dienen: Das stampfende Riffgewitter “Hallelujah”! Was die Jungs aus diesem Song gemacht haben… woooohoooo, der Hammer! War das Original “Hallelujah” noch in seiner rhythmischen Direktheit und dem streckenweise von eindringlichem Flüstern zu weihevollen Salbungsorgien eskalierenden Gesang von Dave noch ein verhältnismäßig klarer Song (was man damals noch nicht unbedingt so sah, denn aus damaliger Sicht war das auch schon verdammt retro), so ist “Hallelujah (Fuzz and Swamp)” genau das, was es im umklammerten Zusatztitel verspricht. Der Song hat in dieser Interpretation deutlich weniger dicke-Hose-Attitüde aber dafür wesentlich mehr Eier (<- das so genannte “Kahnsche Deskriptivum”). Was ich damit meine? Da kommt plötzlich eine Akustikgitarre drin vor, jede Menge Verzerrer und Effekte und überhaupt klingt Wyndorf hier noch ne Spur boshafter, eben weil er sich erst noch durch einen Soundteppich hindurch arbeiten muß, der eigentlich alles nochmal mit einer Extraportion Coolness überzieht. Fantastisch! Aber wie auch für die “Last Patrol” gilt hier, daß man die Songs bloß nicht einzeln betrachten sollte. Das ist wieder eher ein Konzeptalbum als eine Ansammlung von Hits – es ist ein Geschichte. Eine ganz andere Geschichte als die “Last Patrol” überraschender Weise. Der Schlüssel dazu ist “Zeit”. Die Songs sind alle samt ne ganze Ecke länger angelegt und haben mehr Platz. Was bei einem derart drogigen Soundkleid aber auch nötig ist. Da wird munter und träge vor sich hin gewabert und gefuzzt bis der Arzt kommt und es wird gar nicht erst versucht das irgendwie einzudämmen oder gar in ein radiotaugliches Format zu kürzen. Sehr, sehr löblich! Das würde auch gar nicht funktionieren. Diese Richtung gibt schon das sphärische “Let the Circus Burn” zum Einstieg vor und die halten die Songs auch stramm ein bis zum Ende.

Seit der “Dopes to Infinity” hat keines der Alben den inoffiziellen Bandslogan “It’s a satanic drug thing you wouldn’t understand” auch nur annähernd so gut transportiert, wie die “Milking the Stars”. Die Songs wurden mit neuen durchmischt, neu angeordnet und umgebaut. Wyndorf meinte im Sommer, er wolle die “Last Partol” nochmal “komplett neu denken” – und genau das haben sie getan. Offensichtlich nicht ganz ohne neurochemische Hilfe von außen, aber wen juckt das schon wenn am Ende so ein Album steht. Klammert man mal die zwei letzten Live-Mitschnitte (kleine Bonustracks) aus, die man wohl lieber mit ner Hand voll anderer Songs auf eine Bonus CD gepackt hätte, ist das eine phantastische Reise auf die uns die Band da mitnimmt. Es ist schon fast schade, daß sie als Single mit  “The Duke (Full on Drums ‘N Wah) noch einen der am wenigsten umgemodelten Songs wählten; was diesen Remix-Kokolores eher noch befeuert haben dürfte. “Mindless Ones ‘68” (btw: Tipp) wäre hier wohl die bessere Wahl gewesen, weil es einfach viel klarer macht, was auf “Milking the Stars” im Vergleich zur “Last Patrol” Sache ist ohne dabei ein Mindestmaß an Radiotauglichkeit einzubüßen. VIEL besser wäre aber wohl “Let the Circus Burn” gewesen. Warum denn nicht mal ein siebeneinhalb minütiges Instrumental? Wenn es noch dazu ein derart großartiges Stück Musik ist… spräche doch eigentlich nix dagegen. Aber egal, jetzt ist das Album draußen und es macht einen Höllenspaß es zu hören. Im Februar sind die Jungs wieder auf Tour, im Februar bin ich wieder dabei! Smiley mit geöffnetem Mund 

FAZIT: Dieses Album ist schwer zu beschreiben. Stellt euch einfach vor, daß ihr majestätisch (und natürlich bis Unterkannte Oberlippe zu gedröhnt) auf einem bis an die Zähne mit Laserkanonen bewaffneten Tyrannosaurus über einen von überdimensionalen Lavalampen beherrschten Planeten reitet und eure illuminierten Freunde gegen eine soeben statt findende Invasion von technisch weit überlegenen, extrem sadistischen Höllen - Glücksbärchis aus einer Parallelwelt verteidigt, die durch einen Riß im Raum-Zeit-Kontinuum einfallen um euren Lavalampenfreunden ihre Warpkerne zu klauen. Wenn ihr dies rein fantasietechnisch hin bekommt, dann fragt euch einfach noch, was für diese epische Schlacht wohl der geeignete Soundtrack wäre. Es gibt ihn - seit heute! 

Und hier isser noch für euch, der “Duke” im neuen Gewand:

PS: Video bis zum Abspann schauen.

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