Sonntag, 3. Juni 2012

BEYOND THE WHEEL–Soundgarden 31.05.2012, Zitadelle Berlin Spandau

(Soundgarden)

Heute wird es mit Sicherheit ein wenig kürzer als gestern. Aber heute geht es ja auch nicht um so ein Mammutevent, wie um den Boss in einem ausverkauften Fußballstadion, sondern “nur” um eine der wohl am sehnlichsten erwarteten 90s Rock Reunions neben den übermächtigen Kyuss (nun gut, da hat es sich nun auch schon aus-ge-reuniont… aber ich hab sie nochmal gesehen, da ist das schon OK *fg*). Die Rede ist von Soundgarden. In den 90ern so etwas wie die soundgewaltige Antithese zum seichten Elektropop, der allenthalben auf und ab gedudelt wurde. Es ist wie so oft: Die, die sich früh- oder rechtzeitig (wie man auch will) auflösen, die haben im Nachhinein ein glorifiziertes Image an der Backe, dem sie irgendwie nicht so recht entsprechen können – selbst wenn sie es wirklich hart versuchen und sie müssen aufpassen, daß sie daran nicht scheitern, sollten sie sich dann doch zu einem Comeback entschließen.

Bei Soundgarden ist bzw. war es ähnlich. Mehr als 10 Jahre trauerte man den lärmenden, aber dennoch melodischen Klängen der Seattle – Combo und vor allem der glasklaren, grellen Stimme von Chris Cornell hinterher. Das ist jede Menge Zeit um zu verklären, aber auch jede Menge Zeit um sich ein Comeback herbei zu wünschen. Als dann 2010 eine Combo namens “Nude Dragons” ein Clubkonzert spielte, geisterten die Gerüchte zwar schon herum, aber nach Entschlüsselung des Anagramms hatte man endlich Gewissheit. Außerdem tauchte alsbald das erste Bootleg auf und man hörte sie wieder live… die Songs der eigenen Jungend. OK, in einer kratzigen Qualität zwar, dumpf und bisweilen schlecht verständlich (klar, Audience-Bootleg), aber man hörte sie wieder. Als sich die Herren dann für dieses Jahr in Berlin ankündigten um einen Tag nach dem Boss die Hauptstadt zu beehren, lösten sie bei mir den endgültigen Entschluß zum Boss-Urlaub aus und natürlich auch gewaltige Vorfreude. Von unserem Hotel aus konnten wir nach einer ausgiebigen Shoppingtour am und um den Alex herum bequem zur Zitadelle laufen. Da das Wetter bereits zu diesem Zeitpunkt immer suboptimaler wurde, packten wir die extra besorgten ein Mal - Regencapes ein und streiften uns extra noch ein Jäckchen über. An sich wußte die Zitadelle erst mal zu überzeugen. Optisch eine recht schicke Location und durch die im Minutentakt direkt über die Bühne hinweg startenden Flugzeuge

sg 2

auch atmosphärisch ne feine Sache. Über die Organisation kann ich aber nicht wirklich viel Positives berichten… da waren augenscheinlich mal wieder die Genies am Werk! Zunächst war der Einlass eher unkoordiniert, man wurde von einer Schleuse zur anderen geschickt, da man sich nicht so recht einigen konnte, wer jetzt welche Karten abreißt. Aber damit hätte man ja noch leben können. Im wie gesagt sehr schicken Areal mit all seinen Bier- und Freßbuden fiel zunächst nicht auf, daß man sich bezüglich der Bierentsorgung vollkommen zum Deppen machte. Man schilderte zwar groß “WC” aus, wenn man da ankam, standen dort aber sagenhafte 2 Dixies und ein Securityheiner, der aufpasste, daß keiner in die Ecke schiffte. Lächerlich! Da standen Schlangen vor den Dingern, da ich nicht das halbe Konzert verpassen wollte, lies ichs bleiben. War nicht schwer, denn das dargereichte Bier der Marke “Schultheiss”, ich wiederhole zur Warnung SCHULTHEISS (!!!!!) war ein geradezu gruseliges Gesöff, sodaß mehr als eines nicht rein ging. Auch da hatte das Olympiastadion die Nase vorn. da gabs nämlich trinkbares Bier in Halbliterbechern, nicht diese 0,4er Verarsche.

Naja, jedenfalls wurde auch der Merch-Stand unsicher gemacht und ich erstand einen der schönsten Kunstdrucke, die ich bisher auf Konzis direkt mitnehmen konnte. Hängt schon gerahmt an meiner Wand:

SG poster

Die Farben kommen im Original noch viel besser rüber; außerdem ist es signiert und nummeriert (179 / 250), was immer so ein kleines Schmankerl ist. Daß ich es heil durch den einsetzenden Regen gebracht habe, ist sicherlich auch der Posterrolle zu verdanken, die ich selbstredend mitorderte. Für diese Erfüllung des “Ich-will-Soundgarden-irgendwann-mal-live-sehen”-Traumes konnte es für mich kein schickeres Andenken geben.

Wir bezogen also alsbald Stellung, nicht ganz vorne, sondern eher irgendwo in der Mitte der ganzen Meute, weil wir Chris und Konsorten genießen wollten. Für mich stellte das Ganze außerdem einen tollen Ausklang des Konzerturlaubs dar. Der Regen wurde stärker, was uns aber “The Gaslight Anthem” als Vorband versüßten. (Für alle aufmerksamen Leser: Weder die Ärzte noch der Boss hatten eine solche am Start, hab nix ausgelassen). Ja, die können was, keine Frage. Schöne Einstimmung. Als danach umgebaut wurde wurde es um uns herum ein wenig enger, so langsam brachte es alle vor die Bühne gedreht. Als schließlich das akustische Signal zum Konzertbeginn ertönte, war so eine gewisse Spannung förmlich zu greifen. So richtig wußte keiner, was an diesem klatschnassen Donnerstag passieren sollte. Beschwingt sprang Mr. Matt Cameron hinter seine Schießbude, wo der Mann Zeit und Energie her nimmt, bei zwei dann doch recht großen Rockbands parallel zu spielen… ein Mysterium. Als dann alle ihre Plätze eingenommen hatten und Chris dürr und im Unterhemd, dafür aber wieder langhaarig, zum Mikrofon griff, konnte ich mir ein Lächeln erst nicht verkneifen. da vorne standen tatsächlich Soundgarden in Originalbesetzung, hätte ich nie gedacht, daß ich die nochmal zu sehen bekomme. Selbst an eine Reunion war ja nicht zu denken. OK, Kim Thayil ist mittlerweile arg ergraut, Chris hat "Scream” verbrochen und Matt hat ein paar Fältchen mehr, aber sonst… sonst genau das, was ich in Erinnerung hatte. Los ging es mit “Searching with My Good Eye Closed”, “Spoonman” und “Jesus Christ Pose”. Ich bekam erst einen kleinen Schreck, der Sound war anfänglich noch arg ausbaufähig und Cornells Stimme klang irgendwie so, als führe er nur mit halber Kraft. Aber beides justierte sich im Laufe der der 3 Songs ein. Spoonman war trotz Soundproblemen schon toll, bei “JCP” hätte ich mich gefreut, wenn es als fünfter oder von mir aus auch 15. Song gekommen wäre, wenn Chris die Stimmbänder so richtig geölt hat… und das hatte er gegen Ende! Aber als diese Warmlaufphase überstanden war, konnte man das Konzert genießen – egal wie nass man war.”Hunted Down” und “Drawing Flies” beseitigten dann die letzten groben Soundprobleme und rechtzeitig zu “My Wave” war man akustisch auf der Höhe von ein paar Rückkoppelungen hin und wieder mal abgesehen, von denen man aber auch nicht wußte, ob sie nicht vielleicht gewollt waren. Soundgarden entwickelten den unglaublichen Sounddruck, der ihnen in den frühen 90ern den Ruf der Livegranate eingebracht hatte und ließen ihn über die Zitadelle hinweg fegen. Diese Wucht wurde dann von Cornells schneidender Stimme durchbrochen. “The Day I Tried to Live” oder “Pretty Noose” wurden so zu kleinen Zeitreisen. Ich stand mittlerweile komplett durchnässt da und genoß die Show einfach. Diesmal weniger Gehoppse und Geklatsche, einfach nur das Konzert genießen. Hin und wieder ein kleiner Applausanfall oder ein gepflegter Refrain-Mitgröhler wie zu “Blow up the Outside World”, was ohnehin eines meiner Highlights des Abends war. Chris stimmlich warm gelaufen, der Sound gut und die Band hatte ihre Spielfreude gefunden wie ich fand. Im Gegensatz zu Springsteen eine eher statische Spielfreude, aber dennoch spürbar. “Fell on Black Days” war dann wieder ein Erlebnis. Einer meiner (und scheinbar nicht nur meiner) Lieblingssongs. Live nochmal eine ganze Ecke intensiver als von Scheibe und die darauf folgenden “Rusty Cage” und “Outshined” hielten das Niveau problemlos. Danach folgte mit “Black Hole Sun” die wohl bekannteste Nummer der Jungs. Gut, fand ich jetzt von der Liveversion her nicht wirklich spektakulär, aber für ein “gut” reicht es alle mal. War halt für mich ein wenig zu weich gespielt, das kann man auch härter unter die Massen prügeln das Ding. Zwinkerndes Smiley Das Ende des Mainsets wurde dann mit “Superunknown” und dem herrlichen “4th of July” eingeläutet. Super Wahl als Closer fand ich. Ich schüttelte mich kurz um das Wasser vom Cape zu vertreiben, bevor es weiterhin meine Waden hinab trieft (war schon bissel unangenehm) und freute mich aufs Encore.

Soundgarden spielten, wie immer auf der diesjährigen Tour, nur ein recht überschaubares Extrawürstchen. Mit “Slaves and Bulldozers” warf man uns endgültig hinaus aus dem Abend. Vorher jedoch, vorher gabs mit “Beyond the Wheel” nochmal das Schmankerl des Abends serviert.

Cornells Stimme schoß förmlich in die Höhe, der bedrohliche, düstere Sound des Songs waberte uns zäh entgegen und Matt sorgte mit seinem sparsamen Getrommel für den richtigen Bumms im Lied. Ein Ohrenschmaus! Alleine dafür hat sich die Reise schon gelohnt. Als das erwähnte “Slaves & Bulldozers” dann verklungen war, hieß es heim gehen für uns… und Abschied nehmen vom Konzerturlaub für mich persönlich.

Sicher, Soudgarden war von der Publikumsstimmung her nicht unbedingt das euphorischste Konzert, auf dem ich war, es war auch nicht das längste (das gabs einen Tag vorher) oder das stimmungsvollste… aber es waren Soundgarden! Es waren 2 Stunden Traumerfüllung und dahinrocken in fernen Zeiten. Sehr schöner, runder Abschluß des Urlaubs und sollte es Soundgarden im nächsten Jahr noch geben – im Gegensatz zu Kyuss – komme ich gerne wieder. Gerne auch nach Berlin Spandau. Zwinkerndes Smiley Alleine, daß ich diese Soundwand und Cornells Stimmchen als Kontrastpunkt bei ein paar Songs hautnah erleben konnte, das sorgte schon für Gänsehaut. Gelungener Abend für mich, für wahr! 

SG 3

PS: SETLIST

4 Kommentare:

  1. Die kleine Schwester4. Juni 2012 um 11:12

    Ich muss sagen, mittlerweile bereue ich es schon fast, kein Poster gekauft zu haben.

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  2. Das Ding ist der Hammer, was?! :-)Wäre cool, wenn der Krause auch die Poster für Berlin I und II bei Pearl Jam übernimmt.

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  3. Die kleine Schwester4. Juni 2012 um 19:02

    Das heißt dann wohl, ich soll ein Poster kaufen gehen bei Berlin II.

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  4. Ja, darauf wird es wohl hinaus laufen. ;-)

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